Ralph Tiesler
Aktueller denn je: Katastrophenmedizin im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz – Vernetzt denken, gemeinsam handeln.
Die Bilder aus dem Krieg in der Ukraine führen uns täglich vor Augen, wie ein Massenanfall von Verletzten in der Realität aussieht. Auch die Eindrücke der Hochwasserkatastrophe 2021 in Westdeutschland und die COVID 19-Pandemie sind uns allen noch sehr deutlich im Gedächtnis. Naturgefahren wie auch menschengemachte Gefahren entfalten schnell und oft unvorhergesehen katastrophale Ausmaße. Nicht selten sind Leib und Leben vieler Menschen akut bedroht. Es kommt zu Verletzten, Erkrankten oder gar Toten. Dann ist der Bevölkerungsschutz ad hoc gefordert, seine Kernaufgaben – insbesondere den Schutz der Gesundheit als eine seiner zentralen Facetten – zu erfüllen. Der gesundheitliche Bevölkerungsschutz ist ein hochkomplexes System von Fähigkeiten, die wie ein ineinandergreifendes Räderwerk für nicht weniger als das Schutzgut „Leib und Leben“ konzipiert sind. Das System erstreckt sich von der Erstversorgung am Schadensort bis hin zum strategischen Patiententransport zwischen Krankenhäusern in verschiedenen Regionen und der dortigen Endversorgung. Es umfasst auch die Versorgung von Patientinnen und Patienten bei einem Massenanfall von Verletzten (MANV), hier auch im chemischen, biologischen oder radioaktiven/nuklearen (CBRN) Bedrohungsspektrum, bis hin zur Versorgung und Sicherstellung der Versorgungs- und Logistikketten für Arzneimittel.
Die Katastrophenmedizin ist der Schlüssel zur Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten in Krisen, Katastrophen und der zivilen Verteidigung. Sie ist das medizinische Behandlungsprinzip, wenn ein typisches Ressourcenungleichgewicht der zunächst nicht (ausreichend) vorhandenen, aber (dringend) benötigten Behandlungsressourcen auftritt. Gleichzeitig ist sie der gemeinsame Nenner aller Bewältigungskapazitäten des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes. Die präklinische Katastrophenmedizin beginnt mit der Erstversorgung, die unmittelbar an die Selbst-, Nachbarschafts- und Kameradenhilfe bzw. den Selbstschutz anschließt. Sie umfasst die bekannte zivile Rettungskette von der Ersten Hilfe bis zur Übergabe der Patientinnen und Patienten an eine weiterführende Behandlungseinrichtung. Daran schließt sich die klinische Katastrophenmedizin an.
Um hier effektiv und effizient helfen zu können, ist katastrophenmedizinische Kompetenz das A und O. Hier bedarf es fundierter, interdisziplinärer und vernetzter Ausbildungs- und Trainingsformate. Ziel sollte immer die nachhaltige Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten für den praktischen Einsatz sein. Je früher damit begonnen wird, also bereits im Studium oder in der Ausbildung, desto schneller wird dieses Ziel erreicht. Die „Sommerakademie Katastrophenmedizin und Humanitäre Hilfe“, die in diesem Jahr bereits zum 14. Mal stattfindet, dient genau diesem Ziel.
Deshalb wünsche ich der Veranstaltung viel Erfolg und den Teilnehmenden viel Freude beim Lernen: Ich danke allen für diesen wichtigen Beitrag zum Kompetenzaufbau in der Katastrophenmedizin. Auch in der nächsten Krise brauchen wir kluge Köpfe und geschickte Praktikerinnen und Praktiker, um unserer gemeinsamen Aufgabe, dem effektiven (Gesundheits-) Schutz der Bevölkerung, stets gerecht zu werden.
Ihr
Ralph Tiesler
Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)